Bewertungsmethodik und Datenerhebungsprozess
Bei Siegelklarheit wird offen gezeigt, wie bestehende Nachhaltigkeitssiegel bewertet werden - transparent und gut nachvollziehbar.
- Hinter der optisch simplen Präsentation der Bewertungsergebnisse liegt mit dem Sustainability Standards Comparison Tool eine umfassende Methodik, die auf objektiven und transparenten Parametern fußt.
- Drei Bereiche werden für die Bewertung eines Siegels herangezogen: Glaubwürdigkeit, Umweltfreundlichkeit und Sozialverträglichkeit. Glaubwürdigkeitskriterien gelten produktgruppenübergreifend, während Kriterien für Umwelt- und Sozialverträglichkeit produktgruppenspezifisch sind.
- Mindestanforderungen entscheiden über die Aufnahme auf Siegelklarheit, während weiterführende Anforderungen zur Einstufung als "Sehr gute Wahl" oder "Gute Wahl" führen.
- Siegel, für die es aktuell keine Produktgruppe auf Siegelklarheit gibt, können derzeit nicht bewertet werden.
Was ist das Sustainability Standards Comparison Tool (SSCT)?
Das Sustainability Standards Comparison Tool (SSCT) ist ein Instrument, mit dem Siegelklarheit bestehende Nachhaltigkeitssiegel analysiert und bewertet. Das SSCT wurde 2013/2014 in einem mehrjährigen Multi-Stakeholder-Prozess von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Zusammenarbeit mit der nationalen und internationalen Fachwelt im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) entwickelt. Seitdem wurde die Methodik 2020/2021 einmal grundlegend überarbeitet, um sie schlanker, transparenter und somit nachvollziehbarer zu machen - ohne dabei die Bewertungstiefe zu verlieren.
Im Zentrum des SSCT steht ein Katalog aus knapp 300 Anforderungen bzw. Kriterien, den Siegelklarheit mit mehr als 200 führenden Fachexpert:innen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft erarbeitet hat. Dies erfolgte auf Grundlage bestehender internationaler Normen, wissenschaftlicher Erkenntnisse und Vorgaben von Siegelverbänden. Hierzu gehören bspw. die Glaubwürdigkeitsprinzipien der International Social and Environmental Accreditation and Labelling (ISEAL) Alliance sowie die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).
In diesem Kriterienkatalog wird einerseits zwischen Mindestanforderungen und weiterführenden Anforderungen unterschieden. Andererseits lassen sich alle Anforderungen den drei Bereichen Glaubwürdigkeit, Umweltfreundlichkeit oder Sozialverträglichkeit zuordnen:
- Die Anforderungen an Glaubwürdigkeit gelten in jeder Produktgruppe, da hiervon ganz zentral abhängt, inwieweit den Angaben eines Siegels Vertrauen geschenkt werden kann. Dafür wird beurteilt, auf welche Weise Siegelgebende sicherstellen, dass ihre Anforderungen von den Siegelnehmenden auch eingehalten werden, und wie transparent das Umsetzungssystem ist.
- Im Gegensatz dazu sind die Anforderungen an Umwelt und Soziales individuell auf die jeweiligen Produktgruppen zugeschnitten: So sind eingesetzte Chemikalien relevanter im Textilbereich als etwa im IT-Bereich, wo die Herkunft der Konfliktmaterialien ein wesentlicher Faktor ist.
- Die Mindestanforderungen und weiterführenden Anforderungen für Glaubwürdigkeit, Umwelt und Soziales bilden zusammen die Kriterienraster, die es für jede einzelne Produktgruppe gibt. Im Detail sind die Kriterienraster im Downloadbereich einsehbar.
Wie funktioniert der Bewertungsprozess?
Die Prüfung der Siegel basiert auf einem zweistufigen Bewertungsprozess, der die vielen Einzelkriterien auf einen Wert bringt, an dem sich der ökologische bzw. soziale Anspruch eines Siegels sofort ablesen lässt. Je nachdem, wie viele Sterne in den einzelnen Bereichen erreicht werden, vergibt Siegelklarheit aktuell das Urteil "Sehr gute Wahl" oder "Gute Wahl". Erfüllt ein Siegel die Anforderungen für "Gute Wahl" nicht vollständig oder lässt es sich nicht eindeutig einer bestehenden Produktgruppe zuordnen, ist derzeit keine adäquate Darstellung auf Siegelklarheit möglich.
Die Bewertung erfolgt in folgenden zwei Phasen:
Phase 1: Mindestanforderungen
Schritt 1: Mindestanforderungen – Glaubwürdigkeit
Als erstes prüft Siegelklarheit, ob ein Siegel die Mindestanforderungen im Bereich Glaubwürdigkeit erfüllt. Hier wird die Arbeitsweise der Siegelgebenden geprüft, beispielsweise, ob die Organisationsstruktur oder Richtlinien der Organisation öffentlich verfügbar sind. Sind die Mindestanforderungen im Bereich Glaubwürdigkeit nicht erfüllt, kann das Siegel derzeit nicht auf Siegelklarheit dargestellt werden.
Schritt 2: Inhaltliche Mindestanforderungen – Umwelt und Soziales
Nach der Prüfung der Mindestanforderungen im Bereich Glaubwürdigkeit erfolgt die Prüfung der inhaltlichen Mindestanforderungen in den Bereichen Umwelt und Soziales.
- Inhaltliche Mindestanforderungen befassen sich mit Themen, denen eine besondere Relevanz zukommt. Etwa, weil sie für die ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Produktionsprozess eine besonders wichtige Rolle spielen.
- Ein Beispiel ist das Verbot von Zwangsarbeit, welches auf alle Produktgruppen als Mindestkriterium zutrifft und sich auf die grundlegenden Arbeitnehmerrechte der ILO beruft.
Erfüllt ein Siegel diese Mindestanforderungen in mindestens einem inhaltlichen Bereich nicht, kann es derzeit nicht auf Siegelklarheit dargestellt werden.
Phase 2: Weiterführende Anforderungen
Erfüllt ein Siegel die Mindestanforderungen aus der ersten Phase, wird in der zweiten Phase das gesamte Anforderungsraster für die entsprechende Produktgruppe, zu der das Siegel zugeordnet werden kann, detailliert geprüft. Darauf basierend wird das Urteil "Sehr gute Wahl" oder "Gute Wahl" vergeben.
Das Bewertungsergebnis
Das Bewertungsergebnis wird über eine Sternebewertung je Bereich und ein Gesamturteil "Sehr gute Wahl" oder "Gute Wahl" zusammengefasst.
Hierbei zeigt die Anzahl der Sterne an, ob ein Siegel die Mindestanforderungen nicht erfüllt, zur Hälfte erfüllt, komplett erfüllt oder sogar übertrifft.
- Werden zwei Sterne im Bereich Glaubwürdigkeit sowie zwei Sterne im Bereich Umweltfreundlichkeit oder Sozialverträglichkeit erreicht, erhält das Siegel das Bewertungsergebnis "Gute Wahl".
- Werden drei Sterne im Bereich Glaubwürdigkeit sowie drei Sterne im Bereich Umweltfreundlichkeit oder Sozialverträglichkeit erreicht, erhält das Siegel das Bewertungsergebnis "Sehr gute Wahl".
Hinweis:
Eine Null- oder Ein-Sterne-Bewertung kann nur in den Bereichen Umweltfreundlichkeit oder Sozialverträglichkeit erreicht werden.
Das ist möglich, vorausgesetzt, ein Siegel erhält in den Bereichen Glaubwürdigkeit sowie Umweltfreundlichkeit oder Sozialverträglichkeit bereits mindestens zwei Sterne und erzielt weniger als 100 Prozent der Mindestanforderungen im entsprechend dritten Bereich.
Wie wird zwischen "Sehr gute Wahl" oder "Gute Wahl" unterschieden?
Für das Bewertungsergebnis "Sehr gute Wahl" muss ein Siegel alle Mindestanforderungen für Glaubwürdigkeit und einem weiteren Bereich komplett erfüllen und zusätzlich mindestens 60 Prozent der Gesamtpunktzahl in den jeweiligen Bereichen erreichen. Das heißt, die maximal erreichbare Gesamtpunktzahl je Bereich ist für eine Abgrenzung zu „Gute Wahl“ entscheidend.
- Grundsätzlich wird ein erfülltes Kriterium mit einem Punkt bewertet.
- Manche Kriterien werden jedoch nicht als erfüllt oder nicht-erfüllt bewertet, sondern anhand verschiedener Anspruchsgrade. Das hilft Siegelklarheit dabei, die Vielfalt der unterschiedlichen Siegel inhaltlich besser berücksichtigen zu können.
- Diese Kriterien mit Anspruchsgraden können mehr als einen Punkt erhalten: Ist ein Kriterium grundsätzlich (basic) erfüllt, wird 1 Punkt vergeben, weist das Siegel dagegen einen noch höheren Anspruchsgrad (advanced) auf, dann werden 2 Punkte vergeben.
- Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von synthetischen Pestiziden (im Bereich Textilien), welcher grundsätzlich 'eingeschränkt', im höheren Anspruchsgrad jedoch gänzlich 'verboten' werden muss.
Die Summe der Bepunktung jedes Kriteriums in einem Bereich ergibt die maximal erreichbare Gesamtpunktzahl je Bereich in einer Produktgruppe. Darauf basierend wird berechnet, wann ein Siegel mindestens 60 Prozent der Gesamtpunktzahl in den relevanten Bereichen erreicht hat. Dies wird dann in der Sternebewertung wiedergespiegelt.
Wie werden die Daten für eine Bewertung erhoben?
Um die Siegeldaten zu erheben, arbeitet Siegelklarheit mit dem International Trade Centre (ITC) zusammen, das von den Vereinten Nationen (UN) und der Welthandelsorganisation (WTO) gegründet wurde. Als neutrale Instanz koordiniert das ITC die Datenerhebung und -prüfung mit unabhängigen Gutachter:innen und macht die Rohdaten für die Bewertung durch das SSCT zugänglich.
Die siegelgebenden Organisationen stellen alle relevanten Dokumente für die Gutachter:innen zur Verfügung und prüfen die Daten nach Abschluss der Erhebung. Die finale Qualitätssicherung findet dann durch Expert:innen beim ITC statt, bevor die Rohdaten bei Siegelklarheit ankommen. Nach einer weiteren Qualitätssicherung durch Siegelklarheit werden die Daten anhand der SSCT-Bewertungsmethodik ausgewertet. Stimmt die Siegelorganisation zu, wird das Bewertungsergebnis ihres Siegels auf Siegelklarheit veröffentlicht.
Auch interessant:
- Wenn Sie nachvollziehen möchten, welche konkreten Anforderungen für bestimmte Produktgruppen gelten, können Sie die verschiedenen Bewertungsraster je Produktgruppe im Downloadbereich einsehen.
- Vertreten Sie eine Siegelorganisation, die an einer Aufnahme Ihres Siegels bei Siegelklarheit interessiert ist? Hier können Sie mehr zum Aufnahmeprozess erfahren.
- Gut zu wissen: Die SSCT-Methodik findet in unterschiedlichem Ausmaß auf drei Plattformen Anwendung: Neben Siegelklarheit auch auf dem an die öffentliche Beschaffung gerichteten Portal Kompass Nachhaltigkeit mit seinem Gütezeichenfinder und dem an kleine und mittelständische Unternehmen gerichteten KMU Kompass zur Einhaltung unternehmerischer Sorgfaltspflichten.