Wie kann man ein Siegel überhaupt bewerten? Und dabei so unterschiedliche Bereiche wie Textil, Laptops oder Papier abdecken?
Die Antwort ist so einfach wie komplex: mit einer fundierten Methodik – von führenden Expert*innen entworfen, nach innen auf wissenschaftlichen Standards aufbauend und dabei nach außen so simpel dargestellt, dass jede*r unsere Bewertungen direkt auf einen Blick versteht. Das ist das Sustainability Standards Comparison Tool, kurz SSCT. Unsere Bewertung, der sich Siegel freiwillig unterziehen können, ist klar nachvollziehbar, fußt aber nie auf persönlichen Einschätzungen, sondern immer auf objektiven und transparenten Parametern.
Im Zentrum des SSCT steht eine 3-Sterne-Skala, die den mehrstufigen und viele Einzelfaktoren berücksichtigenden Bewertungsprozess auf einen Wert bringt, an dem sich der ökologische bzw. soziale Anspruch eines Siegels sofort ablesen lässt. Je nachdem, wie viele Sterne in den einzelnen Dimensionen erreicht werden, vergeben wir das Urteil „Sehr gute Wahl“ oder „Gute Wahl“. Erfüllt ein Siegel die Anforderungen für "Gute Wahl" nicht vollständig oder lässt es sich nicht eindeutig einer bestehenden Produktgruppe zuordnen, ist derzeit keine adäquate Darstellung auf Siegelklarheit möglich.
Trotz dieser optisch simplen Präsentation unserer Messergebnisse ist die dahinter liegende Berechnungsmethodik umso umfassender, um zu soliden Ergebnissen zu gelangen. Die Methodik möchten wir an dieser Stelle vollständig transparent machen. Denn: Als Initiative des BMZ sind Verlässlichkeit und Transparenz die wichtigsten Werte für uns und unsere Arbeit.
Wie arbeiten wir?
Zunächst ist es wichtig, zu verstehen, dass wir keine neuen Siegel entwickeln oder vergeben, sondern bereits bestehende Siegel auf ihre Nachhaltigkeit in verschiedenen Dimensionen hin überprüfen. Innerhalb ihrer Produktgruppe werden die einzelnen Siegel so untereinander vergleichbar. Die Prüfung der Siegel basiert auf einem Katalog aus insgesamt über 300 Anforderungen bzw. Kriterien, den führende Fachexpert*innen aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Privatwirtschaft mit uns entwickeln – und zwar auf Grundlage bereits bestehender internationaler Normen, neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Vorgaben von Siegelverbänden. Hierzu gehören bspw. die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).
Im Kriterienkatalog unterscheiden wir zwischen Mindestanforderungen der Bundesregierung sowie weiterführenden Kriterien. Beide zusammen bilden das Gesamtraster. Die Anforderungen in den Dimensionen Umwelt und Soziales sind dabei individuell auf die jeweiligen Produktgruppen zugeschnitten: So sind im Textilbereich eingesetzte Chemikalien relevanter als etwa im IT-Bereich, wo die Herkunft der Konfliktmaterialien einen wesentlichen Faktor darstellt. Die Anforderungen der Dimension Glaubwürdigkeit werden jedoch gleichermaßen in jeder Produktgruppe angewandt.
Was schauen wir uns an?
Am Anfang einer jeden Prüfung steht die Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Siegels, da von ihr ganz zentral abhängt, ob man seinen Angaben überhaupt Vertrauen schenken sollte. Gefragt wird hier danach, wie die entsprechende siegelgebende Organisation arbeitet. Erst danach nehmen wir auch inhaltliche Anforderungen hinsichtlich Umweltfreundlichkeit und Sozialverträglichkeit in den Blick.
Unsere Bewertung wird also in zwei Phasen durchgeführt:
Zuerst prüfen wir, ob ein Siegel die Mindestanforderungen der Bundesregierung in der Dimension Glaubwürdigkeit sowie Umwelt und/oder Soziales erfüllt. Mindestanforderungen befassen sich mit Themen, denen eine besondere Relevanz zukommt. Etwa, weil sie für die ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Produktionsprozess eine besonders wichtige Rolle spielen. Ein Beispiel ist das Verbot von Zwangsarbeit, welches auf alle Produktgruppen als Mindestkriterium zutrifft und sich auf die grundlegenden Arbeitnehmerechte der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) beruft.
Erfüllt ein Siegel diese Mindestanforderungen nicht, so kann es derzeit nicht auf Siegelklarheit dargestellt werden. Gleiches gilt auch für Siegel, die evtl. noch nicht bewertet worden sind oder Siegel, für die Siegelklarheit noch nicht die passende Produktgruppe anbietet.
Erfüllt ein Siegel jedoch die Anforderungen der ersten Phase, prüfen wir danach in einem zweiten Schritt detailliert das gesamte Anforderungsraster der entsprechenden Produktgruppe und vergeben darauf basierend das Urteil „Sehr gute Wahl“ oder „Gute Wahl“.
Wie hängt das mit den Sternen zusammen?
Die Zahl der Sterne zeigt an, ob ein Siegel die Mindestanforderungen nicht erfüllt, erfüllt oder sogar übertrifft, was letztlich zur Aussage "Gute Wahl" oder "Sehr gute Wahl" führt.
Um das Bewertungsergebnis “Gute Wahl” zu erhalten, müssen zwei Sterne im Bereich Glaubwürdigkeit sowie zwei Sterne im Bereich Umweltfreundlichkeit oder Sozialverträglichkeit erreicht werden. Analog dazu führen drei Sterne im Bereich Glaubwürdigkeit und drei Sterne im Bereich Umweltfreundlichkeit oder Sozialverträglichkeit zum Bewertungsergebnis “Sehr gute Wahl”.
Hinweis: Eine Ein-Sterne-Bewertung kann nur in den Dimensionen Umweltfreundlichkeit oder Sozialverträglichkeit erreicht werden. Das ist möglich, vorausgesetzt, ein Siegel wird in den Dimensionen Glaubwürdigkeit sowie Umweltfreundlichkeit oder Sozialverträglichkeit bereits als "Gute Wahl" oder "Sehr gute Wahl" bewertet und erzielt mindestens 50 Prozent der Mindestanforderungen in der entsprechend dritten Dimension.
Wie errechnen wir die Bewertung?
Da für das Bewertungsergebnis „Sehr gute Wahl“ neben den Mindestanforderungen in mindestens zwei Dimensionen besonders die mögliche zu erreichende Gesamtpunktzahl entscheidend ist, wollen wir hier kurz unseren rechnerischen Ansatz darlegen. Wir verfolgen einen absoluten Ansatz, bei dem wir zunächst unterscheiden, ob ein Kriterium erfüllt oder nicht erfüllt ist. Um dabei die Vielfalt der unterschiedlichen Siegel berücksichtigen zu können, unterscheiden wir bei vielen Kriterien zwischen verschiedenen Anspruchsgraden:
Ist ein Kriterium grundsätzlich (basic) erfüllt, vergeben wir 1 Punkt, weist der Standard dagegen ein noch höheres Anspruchsniveau (advanced) auf, dann vergeben wir 2 Punkte. Ein Beispiel hierfür ist der Einsatz von synthetischen Pestiziden, welcher grundsätzlich 'eingeschränkt', im höheren Anspruchsgrad jedoch 'verboten' werden muss. So lässt sich über die Addition der Bepunktung jedes Kriteriums eine mögliche Maximalpunktzahl erschließen und von ihr ausgehend berechnen, wann ein Siegel in einem bestimmten Bereich 60% oder mehr der Gesamtpunktzahl erreicht hat. Dies wird dann durch unsere Sternebewertung entsprechend dargestellt. Diese Unterteilung ist jedoch nicht bei allen Kriterien erforderlich, diese werden dann grundsätzlich mit 1 Punkt bei Erfüllung bewertet.
Wie werden die Daten für eine Bewertung erhoben?
Wir arbeiten grundsätzlich mit unabhängigen Gutachter*innen und dem International Trade Centre (ITC) (nur Englisch), das von den Vereinten Nationen (UN) und der Welthandelsorganisation (WTO) gegründet wurde, zusammen, um die Standarddaten zu erheben. Das ITC koordiniert den Prüfprozess und macht die Rohdaten für die Bewertung durch das SSCT zugänglich.
Die standardsetzenden Organisationen stellen alle relevanten Dokumente für die Gutachter*innen zur Verfügung und prüfen die Daten nach Abschluss der Erhebung. Die finale Qualitätssicherung findet dann durch Expert*innen beim ITC statt, bevor die Rohdaten im Backend von Siegelklarheit ankommen und die Bewertungsmethodik SSCT angewandt wird.
Stimmt die Standardorganisation zu, die eigene Bewertung zu veröffentlichen, wird das Bewertungsergebnis dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur Abnahme vorgelegt. Dieser entscheidet letztendlich, ob die Ergebnisse der Bewertung auf Siegelklarheit veröffentlicht werden. Nähere Informationen finden Sie unter Initiative des BMZs. Danach wird die Bewertung durch das Sekretariat von Siegelklarheit auf der Website eingestellt.
Sie haben weitere Fragen?
Sie wollen im Detail verstehen, wie die Bewertungsmethodik funktioniert? Oder nachprüfen, welche Anforderungen wir bei bestimmten Produktgruppen formuliert haben und worauf diese beruhen?
Dann schauen Sie gerne bei Infomaterial und Download. Dort finden Sie u.a. Auflistungen aller Anforderungen nach Produktgruppen gegliedert sowie weitere Details zur Bewertungsmethodik.